Fieseler Fi103 V1
Fieseler Fi103 V1

Daten und Fakten :

Fieseler Fi103 V1



Daten und Fakten :

Dieser Artikel behandelt den Flugkörper, der auch als V1 bekannt war.

Die Fieseler Fi 103, auch V1 genannt (Vergeltungswaffe 1), intern unter dem Tarnnamen FZG 76 (Flakzielgerät) geführt, war ein unbemannter sprengstoffbeladener Flugkörper, umgangssprachlich auch als „Flügelbombe“ bezeichnet. Zeitweilig war dafür der Name Höllenhund verwendet worden und erst auf Vorschlag von Hans Schwarz van Berk am 17. Juni 1944 einigte man sich auf die Bezeichnung V-Waffe. Sie war der erste Marschflugkörper, der in einem Krieg eingesetzt wurde. Die Fi 103 wurde im Deutschen Reich entwickelt und im Zweiten Weltkrieg von Juni 1944 bis März 1945 in großer Zahl vor allem gegen die Städte London und Antwerpen eingesetzt.

Bezeichnungen

V1 war eine von Joseph Goebbels geprägte propagandistische Bezeichnung, Fieseler Fi 103 die militärische Bezeichnung anhand der Typenliste des Reichsluftfahrtministeriums.

In Großbritannien lautete die umgangssprachliche Bezeichnung für die V1 wegen des charakteristischen knatternden Geräuschs des Antriebs doodlebug oder buzz bomb.

Technik

Entwicklung

Entwickelt wurde die Fi 103 von Robert Lusser von der Firma Fieseler und von Fritz Gosslau von der Firma Argus, die das Triebwerk herstellte. Der erste Test der Fi 103 fand am 24. Dezember 1942 in der Erprobungsstelle der Luftwaffe Peenemünde-West auf drei eigens dafür errichteten Startrampen am nordwestlichsten Ende der Insel Usedom statt. Weitere Startstellen für die Erprobung des Flugkörpers befanden sich in Zempin auf der Insel Usedom.

Der Flugkörper war für die damalige Zeit ein durchaus komplexes Gerät und besaß einen automatischen Kreiselkompass zur Kurskorrektur; ein kleiner Propeller an der Spitze trieb ein Zählwerk zur Reichweitenkontrolle an. Das Triebwerk war ein Verpuffungsstrahltriebwerk, das nach dem von Paul Schmidt erfundenen Prinzip des intermittierenden Pulso-Schubrohrs arbeitete. Es war sehr viel einfacher aufgebaut und damit deutlich billiger als die zu dieser Zeit bereits verfügbaren Turbojet-Triebwerke. Die geringere Lebensdauer und Effizienz waren bei einem Marschflugkörper akzeptabel.

Der Gefechtskopf hatte ein Gewicht von 850 kg. Die Fi 103 startete normalerweise von einer Startrampe (nach ihrem Konstrukteur, dem Kieler Unternehmer Hellmuth Walter, Walter-Schleuder genannt), die eine Länge von 48 m und eine Höhe von bis zu 6 m aufwies. Später wurde sie auch von Flugzeugen abgesetzt, vorzugsweise von der He 111H-22.]

Zielführung

Technische Daten Fieseler FZG-76 Kenngrößen Daten

Flügelspannweite 5,30 m

Länge 7,742 m

Antrieb Ein Pulso-Schubrohr Argus As 014

mit 335 kp Maximalschub

Marschgeschwindigkeit 576 km/h in 760 m Höhe

Reichweite 257 bis 286 km

Dienstgipfelhöhe 3000 m

Treffergenauigkeit im Umkreis von 12 km

Besatzung keine

Fluggewicht 2160 kg

Bewaffnung 847,11 kg Sprengkopf aus Amatol

einige Wenige mit Zusatzbewaffnung :

23 × 1-kg-Streubomben

Propagandaflugblätter



Eine integrierte Zielsuche gab es noch nicht. Zur Fernlenkung wurden verschiedene Verfahren angewandt:

Kirschkern-Verfahren

Zur Zielführung wurde an Bord ein einfacher MW-Sender „FuG 23“ mit Schleppantenne mitgeführt, Frequenzbereich 340/500 kHz. Dieser wurde während des Fluges von deutschen Adcock-Peilstationen verfolgt (Fremdpeilung). Die Einschlagstelle ergab sich dann als Ort der letzten Peilung. Die erste V1 einer Abschussserie wurde also eher ungenau verschossen und erst die nachfolgenden mit Hilfe der empfangenen Peilsignale genauer gerichtet. Dieses Lenkverfahren hatte den Decknamen „Kirschkern“, in Anlehnung an das Kirschkern-Weitspucken. Reichweitenänderungen wurden an dem Wegstreckenzähler eingestellt (ein kleiner Propeller am Bug), Seitenabweichungen durch Einstellung am Gyro-Kompass.

Fi-103-Verfahren

Auf Vorschlag der Firma Lorenz A.G. aus dem Jahr 1943 sollte die V1 im Flug durch Kreuzpeilung geortet werden und mit Fernlenkkommandos an den FuPeil A70h „Elektrola“ dann zum Ziel gelenkt werden.

DFS-Verfahren

mit verschiedenen Impulsfolgen zur direkten Fernlenkung.

Ewald-Sauerkirsche-Verfahren

Um Störmaßnahmen entgegen zu wirken, wurden die Fernlenkimpulse mehrfach nacheinander ausgesandt. An Bord der Fi 103 wurde die Impulsfernlenkanlage „Mosel“ eingesetzt. Die vom Empfänger kommenden Impulse wurden auf einem Endlos-Magnetband aufgezeichnet. Erst wenn an drei Leseköpfen gleichzeitig derselbe Impuls anlag, wurde das Steuerkommando an die Ruder weitergegeben. Erhoffte Treffgenauigkeit: +/ 2 km auf 400 km Kampfentfernung.

Weiterentwicklung zur Cruise-Missile


In den USA wurde unter der Bezeichnung JB-2 (Republic Aviation Corporation / Ford Motor Company) bereits 1944 eine Kopie entwickelt. Die Testflüge wurden in der Eglin Air Force Base, Florida im Oktober 1944 durchgeführt, die Produktion begann ab 1945. Sie belief sich auf insgesamt 1000 Stück, die aber nie zum Einsatz kamen. Ihr Einsatz war bei der Invasion Japans geplant.

Auch in der Sowjetunion wurde mit einer als „10ch“ (russ. 10х) bezeichneten Kopie sowie ein- und zweistrahligen Nachbauten experimentiert.

Produktion


Unterirdische Produktion (KZ Mittelbau-Dora)Die Produktion der Einzelteile fand in über 50 verschiedenen Firmen statt. Seit Sommer 1944 wurde die V1 auch in den unterirdischen Werksanlagen des Konzentrationslagers Dora, auch Dora-Mittelbau genannt, bei Nordhausen in Thüringen montiert.

Die Herstellungskosten betrugen 3500 Reichsmark (RM); für den Bau waren etwa 280 Arbeitsstunden nötig.

Abwehrmaßnahmen


Die Bekämpfung der V1 erfolgte durch Flak, Abfangjäger und Sperrballone.

Flak

Die Flughöhe der V1 lag zwischen 600 und 900 m. Die Anflugkorridore der V1 waren weitgehend bekannt, bzw. konnten aufgrund der stationären Abschussrampen kaum verändert werden. Daher wurden in den Anflugkorridoren starke Abwehrbatterien stationiert, die beim Anflug einer V1 Sperrfeuer schossen. Diese Maßnahme war am erfolgreichsten, da die V1 durch ihren leuchtenden Abgasstrahl und das charakteristische Motorengeräusch leicht zu orten war und der Flugkörper keine Ausweichbewegungen machte. Später wurde erfolgreich bereits mit Annäherungszündern geschossen. Dank stetiger Verbesserungen erreichte die Flak gegen Ende der V1-Einsätze eine Abschussquote von über 70 %.

Abfangjäger

Die V1 hatte eine Fluggeschwindigkeit von 630 km/h. Damit war sie ähnlich schnell wie die damaligen Jagdflugzeuge. Diese konnten nur aus der Überhöhung angreifen, um genügend Geschwindigkeitsüberschuss für einen Angriff zu haben. Anfangs waren nur einige wenige Hawker Tempest schnell genug. Neben dem direkten Abschuss, der für den Piloten wegen der möglichen Explosion des großen Sprengkopfs lebensgefährlich war, entwickelten einige Piloten eine andere Methode, um die V1 zum Absturz zu bringen: Gelang es, den Flügel der V1 mit dem Luftwirbel am Ende der eigenen Tragfläche weit genug anzuheben, wurde der Flugkörper, der kein Querruder besaß, instabil, die Kreiselsteuerung versagte und die Fi 103 stürzte ab.

Sperrballone

Entlang der Einflugschneisen wurden Sperrballone stationiert, da die niedrige Einflughöhe der V1 dies begünstigte. Speziell gegen die Sperrballone gab es den Rüstsatz 1, „Kuto“. Letztlich gingen aber nur etwa 6 % der vernichteten V1 auf deren Konto.

Agenten

Da wegen der absoluten Luftüberlegenheit der Briten keine deutsche Luftaufklärung über England stattfand, um die Lage der Einschläge kontrollieren zu können, ließ man sich auf Meldungen von Agenten ein. Diese arbeiteten jedoch mit den Briten zusammen und übermittelten falsche Einschlagstellen. Den Meldungen der eigenen Funkpeilung schenkte man weniger Glauben.

V4

Die Version Fieseler Fi 103 Reichenberg, auch als V4 bezeichnet, war bemannt. Obwohl 175 Exemplare gebaut wurden, wurde das Vorhaben 1944 aufgegeben.

Es gab ernste Anstrengungen, die V4 als Kamikaze-Waffe zu benutzen. Dazu wurde die Militäroperation Selbstopfer ins Leben gerufen. Die Selbstaufopferungspiloten wurden dem Kampfgeschwader 200 unterstellt. Diese Organisation kam jedoch nach der Intervention des Geschwaderkommandeurs Werner Baumbach bei Hitler nicht mehr zum Einsatz.

Einsatz


Am 13. Juni 1944 schlug die erste V 1 bei der Eisenbahnbrücke an der Grove Road in London ein. Eine angebrachte Plakette erinnert an den Bombentreffer.Der Einsatz der Waffe im Krieg begann ab dem 12. Juni 1944. Aus dem nordfranzösischen Département Pas-de-Calais wurden die ersten zehn Flugkörper gegen die britische Hauptstadt gerichtet. Doch nur vier erreichten Großbritannien: je einer in Gravesend, in Cuckfield, in Bethnal Green (London) und in Sevenoaks, die anderen gingen über See verloren. In den frühen Morgenstunden des 13. Juni schlug davon erstmals eine Fi 103 in London ein.

Bei Bruchhausen und Rheinbreitbach sind noch Reste von drei Abschussrampen zu sehen, ebenso bei Ruppichteroth, Drabenderhöhe, auf Peenemünde und bei Zempin auf der Insel Usedom.

Wirkung

Der Einsatz der V1 war kein taktischer Erfolg. Zu keinem Zeitpunkt konnte die V1 die Kriegswirtschaft in England schwächen. Strategisch war sie erfolgreicher. Die alliierte Führung fürchtete eine Schwächung der Kriegsmoral durch die V1, so dass bei der Abwehr auf alliierter Seite wesentlich mehr Personal und Rohstoffe eingesetzt wurden, als bei der vergleichsweise billig herzustellenden Waffe auf deutscher Seite.

Zur Hauptzeit des Angriffs Juli bis August 1944 wurden die V1 in Gruppen von bis zu zehn Flugkörpern gleichzeitig gestartet. Die Auswirkung auf die Moral der Londoner Bevölkerung war verheerend. Täglich verließen bis zu 14.000 Einwohner mit der Eisenbahn die Stadt; insgesamt flohen in diesem Sommer bis zu zwei Millionen Menschen.

Opfer

Durch den Einsatz der Fi 103 gegen London starben 6184 Zivilisten, weitere 17.981 wurden schwer verletzt.

In Antwerpen und Umgebung wurden 10.145 Menschen verwundet oder getötet; außerdem waren weitere 4614 Opfer (größtenteils in Lüttich) zu beklagen.

Auch bei der Produktion, die zum Teil von Häftlingen unter extrem schlechten Lebensbedingungen ausgeführt werden musste, kamen viele Menschen ums Leben.

Da beim Erreichen der Zielreichweite das vom Frontpropeller angetriebene Zählwerk die Benzinzufuhr für das Triebwerk abschaltete, ergaben sich zwei Effekte:

Nach dem Ausschalten des Triebwerks und dem Ausbleiben des extrem lauten Motorengeräusches verblieben etwa 15 Sekunden bis zum Einschlag. Viele Londoner konnten sich retten, indem sie in diesen Momenten sofort Schutz suchten.

Dadurch, dass die V1 mit ausgeschaltetem Motor im Gleitflug schräg auf den Boden traf, breitete sich die Druckwelle der Explosion oft über mehrere 100 Meter aus. Im Fall des Einschlags am Lewisham Market am 28. Juli 1944 belief sich die Explosionswirkung sogar auf bis zu 600 Meter in alle Richtungen.