Tupolew TU-144
Tupolew TU-144

Daten und Fakten :

Technische Daten:

Mantelstromtriebwerk und Nachbrenner:

Tu-144 (Prototyp, 1968, 1 Exemplar):

4 Kusnezow NK-144, je 20.000 kp Schub

Tu-144S (1971 bis 1977, 10 Exemplare, davon 1 später zu Tu-144D umgerüstet):

4 Kusnetsow NK-144, je 20.000 kp Schub

Tu-144D (1978 bis 1984, 6 Exemplare, davon 1 nie fertiggestellt & 1 später umgerüstet zu Tu-144LL):

4 Kolesow RD-36-51A

Tu-144LL (1 Exemplar, umgerüstete Tu-144D):

4 Kusnezow NK-321

Maximale Fluggeschwindigkeit: 2500 km/h (Mach 2,35)

Reisegeschwindigkeit: 2120 km/h

Flughöhe: bis zu 18.000 m

Reichweite bei maximaler Beladung: 6500 km

Leergewicht: 85.000 kg

Maximales Startgewicht: 207.000 kg

Spannweite: 28,80 m

Fläche der Tragflächen: 506,35 m²

Länge: 65,70 m

Höhe: 12,5 m


Beschreibung:

Die Tupolew Tu-144 (NATO-Codename Charger engl. „Schlachtross“) war das erste Überschallverkehrsflugzeug. Entwickelt wurde sie von dem sowjetischen Flugzeug-Konstrukteur Alexei Andrejewitsch Tupolew.

Geschichte

Projektverlauf (1962-1984)

Bereits im Januarheft 1962 der Zeitschrift „Technik der Luftflotte“ hatten Seljakow, Oscherow, Istomin und Dobrowski den Beitrag „Erforschung der Parameter eines Überschallverkehrsflugzeuges“ veröffentlicht. Der Grundstein zur Entwicklung der Tu-144 wurde später, am 26. Juli 1963, per Befehl des Ministers für Luftfahrtindustrie Nr. 276ss gelegt. Vorausgegangen war die Festlegung Nr. 768-271 des Ministerrates der UdSSR vom 16. Juli 1963, wonach das Konstruktionsbüro Tupolew verpflichtet wurde, fünf fliegende Exemplare in nur viereinhalb Jahren zu bauen. Die erste Maschine sollte schon 1966 fertig sein.

Baubeginn war 1965. Gebaut wurden drei Prototypen (zwei nur für Statiktests), von denen der erste, mit der Registrierung СССР-68001, seinen Jungfernflug am 31. Dezember 1968 in der Nähe von Moskau absolvierte – einige Monate bevor die Concorde ihren ersten Testflug hatte. Gebaut wurden danach ab 1969 bis zur Einstellung des Programms 1984 noch ein Vorserienexemplar und 15 Serienmaschinen, von denen die letzte jedoch nie komplettiert wurde.

Am 26. Mai 1970 erreichte die Tu-144 als erstes ziviles Verkehrsflugzeug die zweifache Schallgeschwindigkeit („Mach 2“). Das letzte vollständige Exemplar wurde 1981 fertiggestellt, hatte seinen Erstflug jedoch erst am 4. Oktober 1984 und diente später als Testflugzeug für die Buran-Raumfähre.


Industriespionage?

Die Tu-144 ähnelte in Auslegung und Leistung der Concorde und wies ein ähnliches Tragwerk mit hinten gruppierten Triebwerken sowie eine absenkbare Nase auf, welche die Sicht der Piloten im Landeanflug verbesserte. Diese Ähnlichkeiten veranlassten westliche Medien zu Gerüchten über mögliche Industriespionage und verpassten ihr den Spitznamen Konkordski. Diese Vorwürfe konnten allerdings nie bestätigt werden, zumal die Sowjetunion als Gegenbeweis die Tatsache anführte, ihr Jungfernflug (Dezember 1968) sei vor dem der Concorde (März 1969) gewesen. Außerdem ist es durchaus möglich, dass die Ähnlichkeiten sich einfach aus ähnlichen aerodynamischen und technischen Überlegungen ergaben.

Der Nachbau der Olympus-Triebwerke kann jedoch bestätigt werden, da die für die Herstellung entwickelten Drehmaschinen der Maschinenfabrik HEID in Stockerau/Österreich zuerst für die Konstruktion der Firmen Rolls Royce und SNECMA gebaut und geliefert wurden und kurze Zeit später für die fotografisch reproduzierten Zeichnungen von Tupolew. Markant war vor allem die Bemaßung, die auf den englischen Originalzeichnungen in Zoll und üblicherweise im Toleranzbereich bis Zehntausendstel Zoll (Thow) angegeben waren, auf den russischen Kopien durch Millimetermaße und der (unüblichen) Toleranzangabe genau der Umrechnung aus den Zollmaßen entsprachen. Die von HEID gebauten Werkzeugmaschinen wurden an die UdSSR geliefert. Später erhielt die Firma Csepel in Budapest eine Lizenz auf die Drehmaschinen HEID DF 1000.


Absturz von Le Bourget (1973)

Am 3. Juli 1973 erlebte das Programm einen herben Rückschlag, als die vierte je gebaute (die erste Serienmaschine) Tu-144 bei der Flugschau in Le Bourget (bei Paris) abstürzte. Dabei wurden die sechs Menschen an Bord (Besatzung einschließlich eines Journalisten), sowie acht Personen am Boden getötet. Als die Crew versuchte, einen starken Sturzflug abzufangen, wurde die Struktur der Maschine überlastet und sie brach in geringer Höhe auseinander. Warum die Tu-144 überhaupt in den Sturzflug, für den sie nicht ausgelegt war, überging, ist nach wie vor ungeklärt. Es gibt verschiedene Thesen bzw. Gerüchte hierzu:

These 1: ein französisches Jagdflugzeug vom Typ Dassault Mirage soll plötzlich aufgetaucht sein und die Besatzung zu einem Sturzflug als Ausweichmanöver verleitet haben.

These 2: Teile der Systeme sollen versehentlich für den Testbetrieb konfiguriert gewesen sein und dem Flugzeug ungewöhnlich starke Sinkraten gegeben haben.

These 3: Es soll sich nicht genug Treibstoff in den Tanks befunden haben, so dass die Triebwerke mangels Treibstoffdruck in der Zuleitung kurz ausgesetzt haben, woraufhin die Tu-144 antriebslos in den Sturzflug kippte, aus dem sie nicht mehr abgefangen werden konnte.

These 4: Aus Daten der Blackbox der Maschine ging hervor, dass die Mannschaft Manipulationen an der Flugsteuerung vorgenommen hatte. Es sollte dadurch eine besonders spektakuläre Flugshow ermöglicht werden, um die ebenfalls anwesende Concorde zu übertrumpfen.

These 5: Kurz vor dem Absturz wurde auf dem Radar ein kleines Objekt gesichtet, welches unter Umständen eine abgefeuerte Luft-Luft-Rakete gewesen sein könnte.

Regulärer Betrieb (1975-1978)

Im Dezember 1975 nahm die Tu-144 zunächst den Frachtbetrieb und im November 1977 den Passagierbetrieb zwischen Moskau und Almaty auf. Regelmäßige Passagierflüge folgten im Dezember 1977. Nach einem weiteren Unfall im Mai 1978, bei dem ein Leck in einer Treibstoffleitung zu einem Brand an Bord mit anschließender Notlandung auf einem Feld führte, bei der 2 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen, wurde der Tu-144-Linienbetrieb nach nur 102 Flügen (davon 55 mit Passagieren) mit insgesamt 3284 beförderten Passagieren [1] wieder eingestellt und bis zur Einstellung des Tu-144-Programms 1984 nicht wieder aufgenommen. Insgesamt wurden 16 Exemplare fertiggestellt, von denen noch fünf in Museen, sowie weitere drei an zwei verschiedenen Tupolew-Werken existieren. Die einzige Tu-144 (Registrierung СССР-77112, Seriennummer 07-1) außerhalb der ehemaligen Sowjetrepubliken wurde 2001 auf dem Wasser- und Landweg nach Deutschland in das Technikmuseum Sinsheim gebracht und ist seitdem dort zu besichtigen.


NASA-Testflüge (1995-1998)

1995-1996 wurde eine Tu-144D (CCCP-77144) von Tupolew und der NASA für etwa 350 Millionen Dollar wieder in einen flugfähigen Zustand gebracht, um Messdaten für ein mögliches zukünftiges Überschallpassagierflugzeug zu gewinnen. Der Umbau zum fliegenden Labor brachte neben neuen Triebwerken auch die neue Typenbezeichnung Tu-144LL mit sich und der Kennung RA-77144. Zwischen November 1996 und Februar 1998 führte die Maschine noch einmal 27 Flüge durch. In der Folgezeit gab es Meldungen, die Maschine sei per Internet-Auktion an einen Privatmann verkauft worden. Da es jedoch keine Ausfuhrgenehmigung für die als militärische Güter geltenden Triebwerke gab, steht die Maschine nach wie vor am Tupolew-Werk Moskau-Zhukovsky.

Bei Tupolew existierten eine Zeit lang Pläne für einen Nachfolger, die Tupolew Tu-244.


Liste aller gebauten Flugzeuge

Ser.nr. Modell Typ Kennung Triebwerke Beschriftung Bemerkung Jungfernflug Letzter Flug Verbleib

00-1 044 Tu-144 CCCP-68001 NK-144 Tupolev Prototyp, unterscheidet sich erheblich von der Serienmaschine 31.12.1968 27.04.1973 verschrottet

01-1 004 Tu-144S CCCP-77101 NK-144A Tupolev Vorserienflugzeug 01.06.1971 verschrottet

01-2 004 Tu-144S CCCP-77102 NK-144 Aeroflot erste in Woronesch gebaute Maschine 20.03.1972 03.06.1973 in Goussainville bei Paris abgestürtzt

02-1 004 Tu-144S CCCP-77103 NK-144 Aeroflot 13.12.1973

02-2 004 Tu-144S CCCP-77104 CCCP-77144 NK-144 Aeroflot 1975 umregistriert zu CCCP-77144 14.06.1976



03-1 004(D) Tu-144S(D) CCCP-77105 NK-144 RD-36-51A Aeroflot wurde Anfang 1976 in eine 144D (Dalnj=Langstrecke) umgebaut 30.11.1974 bis 1993 bei Schukowski, vermutlich ausgelagert

04-1 004 Tu-144S CCCP-77106 NK-144 Aeroflot ab 26.12.1975 Testflüge Moskau - Alma Ata 04.03.1975 29.02.1980 Monino Museum Moskau

05-1 004 Tu-144S CCCP-77107 NK-144 Aeroflot 20.08.1975 29.03.1985 Kazan Aviation Institute (KAPO)

04-2 004 Tu-144S CCCP-77108 NK-144 Aeroflot wurde nie an Aeroflot ausgeliefert 12.12.1975 27.08.1987 Samara Smyshlyayevka Aviation Institute

05-2 004 Tu-144S CCCP-77109 NK-144 Aeroflot ab 1.11.1977 im Passagierflugeinsatz 29.04.1976 Fabriksgelände Woronesch (VASO)

06-1 004 Tu-144S CCCP-77110 NK-144 Aeroflot letzte 144S, ab 1977 bis Juni 1978 in Passagierflugeinsatz 14.02.1977 01.06.1984 Museum für Zivilluftfahrt in Uljanowsk

06-2 004D Tu-144D CCCP-77111 RD-36-51A Aeroflot erste 144D 27.04.1978 23.05.1978 Bruchlandung in Jegorjewsk, verschrottet

07-1 004D Tu-144D CCCP-77112 RD-36-51A Aeroflot mit BAE Concorde 207-200 im Technik Museum Sinsheim

08-1 004D Tu-144D CCCP-77113 RD-36-51A Aeroflot Am 31.8.1980 Strukturelle Beschädigung bei Überschallversuch 02.10.1979 31.08.1980 2001 verschrottet

08-2 004D Tu-144D(LL) CCCP-77114 RA-77114 RD-36-51A NK-321 Aeroflot Tupolev/NASA bis 1990 zur Forschung eingesetzt. Zus. mit der NASA umgebaut zum Höhenforschungsflugzeug (144LL), "Wiederaufnahme" am 29.11.1996, hält 14 Weltrekorde 13.04.1981 14.04.1999 stillgelegt in Schukowski, wird restauriert und in Khodinskoe Pole (Moskau) ausgestellt

09-1 004D Tu-144D CCCP-77115 RD-36-51A Aeroflot ende 80'er Jahre zu Trainingszwecke benutzt, war geplant für den Umbau zum 144LL 04.10.1984 wird restauriert, anschließend Denkmal in Schukowksi (Ramenskoje)

09-2 004D Tu-144D CCCP-77116 Zelle nicht fertiggestellt Zelle liegt am Werk Woronesch